Definition

Von Heilmittel zu Suchtmittel:
Das ist Medikamenten­abhängigkeit.

So paradox es klingt: Medikamenten­missbrauch fängt meist nach einem Arztbesuch an. Was ursprünglich als Heilmittel verschrieben wird, kann im Laufe der Zeit zum Sucht­mittel avancieren.

Ganz ohne viel Aufsehen und meist völlig unbemerkt: Der Weg in die Abhängigkeit.

Medikamenten­missbrauch ist ein gewaltiges Wort. Irgendwie zu groß und zu spektakulär, um in ein ganz normales, alltägliches Leben zu passen. Und doch findet er genau in diesen Leben statt. Und der Weg dorthin verläuft meist völlig unspektakulär.

Das hat vor allem drei Gründe:

  1. Der Übergang von Heilmittel zu Suchtmittel erfolgt fließend
  2. Medikamentensucht ist sowohl für ärztliches Personal als auch für Betroffene schwer zu erkennen
  3. Das Gefährdungspotenzial von Medikamenten wird von vielen Patientinnen und Patienten nicht ernst genommen

Die Folgen von Medikamenten­missbrauch: Darum ist Oft und Zuviel gefährlich.

Jedes Medikament kann bei regelmäßigem Konsum gesundheitsschädlich wirken. Auch frei verkäufliche Medikamente wie zum Beispiel Kopfschmerztabletten. Besonders gravierend jedoch sind die Auswirkungen, wenn verschreibungs­pflichtige Arzneimittel im Spiel sind. Neben Leberschäden, Erkrankungen im Magen-Darm-­Bereich und einer dauerhaften Nierenschädigung bis hin zur Dialyse können Bewegungs- und Gangunsicher­heiten auftreten. Abhängig von den enthaltenen Wirkstoffen können übrigens auch Symptome entstehen, die denen einer Depression ähneln.

Du willst mehr über die Medikamente und Wirkstoffe erfahren, die typischerweise bei missbräuchlichem Gebrauch eine Rolle spielen?

Zu den Medikamenten

Verordneter Gebrauch, Missbrauch, Sucht oder Abhängig­keit: Was bedeutet was?

Die unterschiedlich verwendeten Begriffe kennzeichnen für die Expertenwelt die Schwere des Problems. Fängt man an zu recherchieren, stellt man schnell fest, dass die Begriffe häufig bunt gemischt werden. Und zwei davon haben tatsächlich die gleiche Bedeutung.

Wir bringen Licht ins Dunkel und erklären die Begriffe.

Die Einnahme von Medikamenten mit möglichen Nebenwirkungen entspricht dem Standard und der Empfehlung.

Unter Bedarfsmedikation versteht man die Arzneimitteltherapie für einen erwarteten, noch nicht eingetretenen Bedarf. Hier muss insbesondere darauf geachtet werden, dass die Bedarfsmedikamente keine ursachenlösende Therapie verhindern oder erschweren. Die Verordnung von Bedarfsmedikation muss zusätzliche Informationen enthalten:

  • Angabe eines präzise beschriebenen Bedarfsgrundes für den Einsatz des Arzneimittels
  • Definierter Dosisspielraum je nach Ausprägung, z.B. initiale Einzeldosis, maximale Einzeldosis und maximal mögliche Dosierung pro Tag
  • Regelmäßige Überprüfung
  • Zeitliche Befristung der Verordnung

Anwendung eines für ein bestimmtes Anwendungsgebiet zugelassenen Medikaments außerhalb der von den Zulassungsbehörden genehmigten Anwendungsgebiete (Off-Label-Use). Das kann sinnvoll sein, wenn es keine guten alternativen Behandlungsmöglichkeiten gibt oder wenn in anderen Ländern (z.B. den USA) bereits eine Zulassung erfolgte. Wichtig ist in jedem Fall eine gute Aufklärung durch die Ärztin oder den Arzt.

Von Fehlgebrauch spricht man, wenn man ein Medikament

  • höher dosiert als angegeben
  • länger nimmt als angegeben
  • für Symptome einnimmt, für die es nicht bestimmt ist
  • in einer anderen Anwendungsform nimmt als angegeben

Aufgrund der Art, Dauer und Menge des Konsums könnten schädliche physische oder psychische Konsequenzen auftreten, die bisher jedoch noch nicht entstanden sind.

Von einem Medikamenten­missbrauch bzw. einem schädlichen Konsum gemäß ICD-10 (amtliche Klassifikation zur Verschlüsselung von Diagnosen) wird gesprochen, wenn der Konsum fortgesetzt wird, obwohl ein tatsächlicher Schaden der psychischen oder physischen Gesundheit besteht, aber (noch) keine Abhängigkeit infolge des Substanzkonsums (oder des Medikaments) besteht.

Die Begriffe Medikamentensucht bzw. Medikamentenabhängigkeit können synonym verwendet werden. Hält ein Missbrauch lange an und führt er zur Gewöhnung, kann es zu einer Abhängigkeit bzw. Sucht kommen. Lange Zeit ging man davon aus, dass es nur bei Substanzen, die eine körperliche Abhängigkeit zur Folge haben, zu einer Sucht kommen kann. Aber die Praxis zeigt: auch die psychische Abhängigkeit spielt eine immer größere Rolle.

Man spricht von Medikamentensucht bzw. Medikamentenabhängigkeit, wenn folgende Kriterien im Verlauf der letzten 12 Monate (oder bei kontinuierlichem Konsum innerhalb eines Monats) vorliegen:

  • ein starker innerer Drang oder Verlangen, Substanzen zu konsumieren
  • eine eingeschränkte Fähigkeit zur Kontrolle des Konsums
  • Priorität des Konsums gegenüber anderen Tätigkeiten
  • anhaltender Konsum trotz einer eingetretenen Schädigung oder negativer Folgen
  • eine Toleranz gegenüber den Auswirkungen der Substanz
  • Entzugssymptome nach Beendigung oder Verringerung des Konsums oder der anhaltende Konsum, um Entzugssymptome zu verhindern oder zu lindern

Hinweis: Eine körperliche Abhängigkeit besteht nur dann, wenn die letzten beiden Kriterien erfüllt sind.

Von Niedrigdosis-Abhängigkeit spricht man, wenn eine niedrige Dosis, die oft im empfohlenen Bereich der therapeutischen Breite liegt, ohne Unterbrechung über Monate eingenommen wird, ohne dass eine Dosissteigerung oder Toleranzentwicklung oder ein Kontrollverlust entstehen muss. Es kann dabei jedoch zu unangenehmen Symptomen (aversive Symptome) beim Absetzen kommen; dies wird in der Regel als gewohnheits­mäßiger riskanter Konsum ohne Abhängigkeitsmerkmale definiert. Auch im Falle einer Niedrigdosis-Abhängigkeit sollte das Medikament auf keinen Fall abrupt abgesetzt werden, sondern muss langsam ausgeschlichen werden.

Kopf oder Körper? Die beiden Formen der Abhängig­keit.

Abhängig ist nicht gleich abhängig. In der Praxis wird zwischen körperlicher und psychischer Abhängigkeit unterschieden. Bei der körperlichen bzw. physischen Abhängigkeit reagiert der Körper auf die ständige Medikamenten­einnahme mit einer Gegenregulation des Stoffwechsels. Bleibt der Wirkstoff aus, sorgt eine überschießende Gegenregulation für die meisten Entzugssymptome.

Spricht man hingegen von einer psychischen Abhängigkeit, besteht ein starker Drang, die Substanz zu konsumieren, verbunden mit dem Glauben, ohne das Medikament nicht mehr „leben zu können“.4 Während die körperlichen Entzugserscheinungen unter Umständen im Zuge einer Entzugsbehandlung medikamentös behandelt werden können, ist es oftmals weitaus schwieriger, die psychische Abhängigkeit zu überwinden und dauerhaft abstinent zu bleiben.