Cannabinoide

Die Wirkstoffe für bestimmte Fälle.

Cannabinoide sind chemische Verbindungen, die in verschiedenen Variationen in der Cannabispflanze vorkommen. Cannabis ist übrigens der lateinische Begriff für Hanf; dieser gilt als eine der ältesten Nutz- und Heilpflanzen. In China soll die Hanfpflanze bereits vor 6000 Jahren zu Nahrung, Kleidung, Fischnetzen, Öl und Heilmitteln verarbeitet worden sein. Von Asien aus hat sie sich über Europa bis nach Nord- und Südamerika ausgebreitet. Hier spielte die berauschende Wirkung der Pflanze lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Nach der aktuellen Gesetzeslage können Ärzte Cannabis in pharmazeutischer Qualität schwerkranken Menschen in Ausnahmefällen verordnen.

Gut zu wissen

Im Jahr 2020 wurde etwa

80.000
Menschen

medizinisches Cannabis verschrieben. Das entspricht weniger als 0,1 % der Bevölkerung.1

Die häufigsten

Cannabis­produkte

sind Marihuana (Blüten und Blätter) und Haschisch (Cannabisharz).1

So wirken Cannabinoide.

Die pharmakologische Wirkung von Cannabinoiden ist noch nicht vollständig bekannt. Erst 1988 entdeckte man körpereigene Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn (CB1) und wenig später in der Peripherie des Körpers (CB2). Diesen Rezeptoren wird ein Großteil der Cannabiswirkungen zugeschrieben. Auch wenn an der genauen Wirkungsweise noch geforscht wird, lässt sich schon jetzt sagen, dass der medizinische Einsatz von sogenanntem medizinischen Cannabis in bestimmten Anwendungsbereichen als wirksam gilt, etwa bei Übelkeit und Erbrechen oder auch zur Appetitstimulation. Das betrifft etwa Krebspatienten nach Chemotherapie oder Patienten, die an HIV/AIDS erkrankt sind. Von medizinischem Cannabis spricht man übrigens immer dann, wenn spezielle Züchtungen der Cannabispflanze mit weniger THC zum Einsatz kommen.

Psychoaktiv und nicht-psychoaktiv: Die beiden wichtigsten Wirksubstanzen.

Die Cannabispflanze enthält über 60 Cannabinoide, von denen das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) psychoaktiv am stärksten wirkt. Auf körperlicher Ebene sorgt es für eine Linderung von Schmerz und Übelkeit, ist appetitanregend und muskelentspannend. Das nicht-psychoaktive Cannabidiol, auch bekannt unter der Abkürzung CBD, wirkt antientzündlich, krampf- und angstlösend und scheint Schlafstörungen lindern zu können. Der medizinische Bereich forscht aktuell an neuen Erkenntnissen über die Wirksamkeit einzelner Inhaltsstoffe von Cannabis bei diversen Anwendungsgebieten.

Die Darreichungs­formen von Cannabinoiden.

Aktuell können Ärzte je nach Patient und Beschwerdebild aus mehreren zur Verfügung stehenden Darreichungsformen von Cannabis wählen.

Getrocknete Blüten oder Extrakt

Medizinal-Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakt wird über Apotheken bezogen. Das Problem: Die Menge der Wirkstoffe sowie ihr Verhältnis zueinander variieren zwischen Pflanzensorten und Anbaugebiet sehr stark, so dass die genaue Dosierung für Apotheken und Ärzte erschwert wird.

Fertigarzneimittel als Mundspray: Sativex®

Insbesondere für die Zusatz­behandlung von mittel­schwerer bis schwerer Spastik bei Patienten mit multipler Sklerose, die auf eine andere antispastische Therapie nicht angesprochen haben, empfiehlt sich der Einsatz des Mundsprays Sativex®. Es enthält die Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol und wird in die Mundhöhle gesprüht. Von dort gelangt es über die Mundschleim­haut sehr rasch in den Blutkreislauf – ein großer Vorteil, wenn ein schneller Wirkungseintritt erforderlich ist.

Fertigarzneimittel als Kapseln: Canemes®

Canemes® ist ein synthetisches Cannabinoid, also ein künstlich hergestellter Wirkstoff aus der Hanfpflanze. Diese Substanz verhindert Übelkeit und Erbrechen bei Patienten unter Chemotherapie und wird eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht entsprechend wirken.

Rezepturarzneimittel

Von Rezepturarzneimittel spricht man dann, wenn das Medikament bei Bedarf von Apotheken individuell zubereitet wird. In Deutschland kommt hier vor allem der Wirkstoff Dronabinol (internationaler Freiname für Delta-9-Tetrahydrocannabinol) als Lösung zur Inhalation, als Kapseln und als Tropfen zum Einsatz. Apotheken beziehen dafür das Dronabinol als Herstellungs-Set und mischen das Endprodukt individuell bei sich vor Ort nach Vorlage eines Cannabis-Rezeptes.

Die häufigsten Nebenwir­kun­gen von Cannabi­noiden.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass zu den häufigsten Neben­wirkungen von Cannabis Müdigkeit und Konzentrations­schwäche gehören. Außerdem kann es zum Beispiel zu Herzklopfen, Schwindel oder undeutlichem Sprechen kommen. Wenn Cannabis über längere Zeit in großen Mengen konsumiert wird, besteht die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit. Problematisch können dann Entzugs­erscheinungen wie Angst, Unruhe und Schlaflosigkeit sein. Zu den gravierenden Folgen eines längerfristigen Cannabis­konsums gehört in seltenen Fällen das Auftreten von Psychosen.

Ein großes Thema: Abhän­gig­keit und Fehlgebrauch.

Die Zulassung als – in den meisten Fällen – Reserve­medikament gilt nur für schwerkranke Patienten und für kontrolliert angebautes, qualitativ hochwertiges Medizinal-Cannabis. Dass es sich der Gesetzgeber mit dieser Entscheidung nicht leicht gemacht hat, liegt an der Bedeutung und Bekanntheit von Cannabis als Rauschmittel. Unter den illegalen Drogen spielt Cannabis laut Bundes­gesundheits­ministerium in Deutschland die Hauptrolle. Häufiger werden nur die beiden legalen Suchtmittel Alkohol und Nikotin konsumiert.

Warum werden Cannabinoide verschrieben?

Cannabinoid-haltige Arzneimittel werden in Deutschland am häufigsten eingesetzt bei:

  • chronischen, insbesondere neuropathischen Schmerzen
  • einer Spastik infolge von multipler Sklerose
  • Anorexie und Wasting (ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Körpergewichts in sechs Monaten) und bei gleichzeitiger chronischer Diarrhoe und/oder Fieber im Rahmen einer HIV-Infektion
  • Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen (z. B. bei Krebs­erkrankungen oder AIDS)
  • Epilepsie

Ob Cannabis bei diesen Beschwerden überhaupt in Betracht kommt, hängt davon ab, welche anderen Behandlungen möglich wären und ob das Risiko für Nebenwirkungen vertretbar erscheint.2

Gut zu wissen

Cannabis

sollte nicht genommen werden bei

  • Schwangerschaft
  • einer Psychose oder anderen schweren seelischen Erkrankungen
  • schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Bei Einnahme von

Cannabinoid-haltigen Arznei­mitteln

sollte auf die inhalative Anwendung
verzichtet werden.

Die rechtlichen Rahmen­bedingungen.

In Deutschland können Cannabinoid-haltige Arzneimittel seit 2017 nach Antragstellung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen mittels Betäubungsmittelrezept verordnet werden. Laut Gesetz ist dies möglich, wenn

  • eine schwere Erkrankung vorliegt,
  • eine anerkannte medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht oder nach ärztlicher Einschätzung nicht möglich ist, sowie
  • eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht besteht, dass sich der Krankheitsverlauf oder starke Beschwerden spürbar bessern.2

Wer Cannabis ohne ärztliches Rezept konsumiert und anschließend Auto fährt, begeht eine Straftat und verliert unter anderem seinen Führerschein. Bei Patienten, die Cannabis als Medizin einnehmen, gilt dies jedoch nicht. Ausnahme: Falls sie das Medikament nicht ordnungsgemäß eingenommen haben und bzw. oder die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist, müssen auch Patienten ihr Auto stehen lassen.

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